Main menu

Wie ich rein zufällig Mama wurde – Von Petrina Engelke

24 Apr 2014

Ich habe kein Kind. Ehrlich. Allerdings ist das nur meine Sicht der Dinge. Das lerne ich beim großen Geburtstagsbrunch einer Freundin, die sehr viele Leute kennt, die sich untereinander nicht kennen. Als ich mit einem Käseteller und einer Tasse Tee auf einen Tisch zusteuere, schaut meine Freundin S. sehnsüchtig vom Sofa auf. „Ich würde jetzt auch gerne mal was essen“, raunt sie mir zu, als ich nah genug an ihr dran bin. „Nimmst du den mal?“

Nichts denke ich mir dabei, gar nichts. Ich kriege also ein winziges Baby in den Arm gelegt, kaum dass ich am Tisch Platz genommen habe. Gegenüber fängt das milde Lächeln an.

„Ist das ein Junge oder ein Mädchen?

„Ein Junge.“

„Und wie heißt er?“

Hier kenne ich irgendwie niemanden, die Gastgeberin schwirrt im Nebenraum herum, und S. ist längst in der Küche verschwunden. Aber ich weiß natürlich die Antwort. Ich kann mir ja wohl noch merken, wie das Baby meiner Freundin heißt!

„Paul!“, sage ich und warte darauf, dass sie jetzt auch meinen Namen wissen wollen. Wollen sie nicht. Fragen gibt es hier nur fürs Baby. Immerhin entdecke ich, dass da Nutella auf dem Tisch steht. Gleich neben den Brötchen. Wie für mich gemacht. Doch als ich zugreifen will, haben sich meine Arme seltsam verkürzt. Wie mach ich das jetzt?

„Ach, schläft, gut“, höre ich von schräg hinten. Das war S. Schon hat sie sich aus dem Staub gemacht.

„Ist der immer so friedlich?“, fragt eine Frau am Tisch leise.

„Nee“, sage ich. Schließlich hab ich den kleinen Mann schon ganz anders erlebt.

„Wie groß ist der denn?“

„Na, noch ziemlich klein“, sage ich, ernte Gelächter und nutze die Gunst meines Publikums gnadenlos aus. „Könnte mir wohl jemand ein Brötchen und das Nutellaglas reichen?“, sage ich, deute auf das Kind und füge hinzu: „Ich komme da nicht dran.“

Na toll. Jetzt habe ich das nächste Problem: Das Baby liegt auf meinem Schneidearm. Gut, muss es halt auf die andere Seite. Wo ist eigentlich S.? Das Messer sieht ganz schön scharf aus. Außerdem braucht man zum Brötchenschneiden offenbar zwei Hände. Verblüffend, oder? War mir auch nicht klar.

„Und wie alt ist der, hihi, Kleine?“

„So vier, fünf Wochen.“ Also so langsam gehen mir die Antworten aus. Deshalb schiebe ich den Babyfragen mal lieber einen Riegel vor: „Woher soll ich das denn alles wissen, ich hab den doch nur ganz zufällig gekriegt.“

Jetzt passiert alles auf einmal. Drei Leute versichern mir, wie lustig ich sei. Eine Frau schwärmt, sie fände es so beruhigend, wie entspannt ich mit dem Baby umginge, sie will unbedingt mein Geheimnis lernen, weil sie ja auch bald Kinder kriegen will, und … irgendjemand nimmt mir fürsorglich Brötchen und Messer aus der Hand und fängt an, zu schneiden und zu schmieren.

zwergalarm-Nutella-Brot-Petrina-Engelke

„Etwas dicker, bitte“, sage ich. So langsam gefällt mir das hier. Auch wenn meine Hüfte glüht von der Wärme, die das Baby ausstrahlt, und ich mich frage, ob da wohl Schweißflecken zu sehen sind, wenn ich aufstehe.

„Ich wollte eh grad in die Küche“, sagt einer. „Für dich bestimmt nur Kräutertee, oder?“

„Nee“, sage ich, „lieber Schwarztee mit Rum.“

Hahahahaha.

Ich hatte das ernst gemeint. Das Baby wird immer schwerer.

„Du hast aber echt eine einschläfernde Wirkung auf Jungs, toll. Kann ich dich öfter buchen?“

Das war S. Sie nimmt mir das Kind ab und drückt ihm ihre Nase an den Hals. Der Tisch starrt mich entgeistert an. Die Teelieferung stockt.

Das kommt davon, wenn man mit Mamas befreundet ist. S. bedankt sich überschwänglich. Zum ersten Mal seit Wochen hat sie mal wieder in Ruhe gefrühstückt, sagt sie. Mein persönlicher Nutellabrötchenschmierer wirft mir einen eisigen Blick zu.

„Was?!“, sage ich. „Ich hab doch gesagt, ich hab das nur zufällig …“

Aber das nutzt jetzt nichts mehr. Hat ja schon der olle Paul Watzlawick gesagt: „Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist.“ Hatte der gute Mann eigentlich Kinder?

 

Anmerkung der Zwergen-Königin: Wir lieben einfach den Humor von Petrina und wenn man die Signatur ihrer Mails anschaut, ist alles klar: p.eng – Texte wie aus der Pistole geschossen.
Sie lebt als Freie Journalistin in New York, ja Mädels, in New York City und hatte vor Kurzem eine tolle Idee!! Davon berichten wir Euch nach dem Wochenende. Stay tuned 😉

Ihr ganz persönliches New York präsentiert sie übrigens auf diesem BLOG – schaut doch mal rein!!!

 

zwergalarm-petrina-engelke

zwergalarm-NewYork-petrina-engelke.2

One comment on “Wie ich rein zufällig Mama wurde – Von Petrina Engelke

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Back to Top