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Dein JUNGE hat Nagellack dran? Von Ann-Katrin Lang

1 Jun 2014
Als mein Sohn Ferdi 3 Jahre alt war, sah er mich zum ersten Mal ganz bewusst, wie ich mir meine Nägel lackiert habe. Farbe auf die Fingernägel? Das wollte er auch! Ich habe keine Sekunde gezögert, ihm die Finger bunt zu bemalen: den Daumen rot, den Zeigefinger grün, den Mittelfinger mit Glitzer, der Ringfinger rosa und so weiter. Warum auch nicht. Mein Gott, der Kleine ist ja erst 3 Jahre alt. Um so erstaunter war ich über die Reaktionen im Kindergarten. Eine Mutter kam so gar auf mich zu und meinte, dass ihr Mann das bei ihrem Sohn niemals zulassen würde. Wie bitte? Die Kinder müssen sich doch ausprobieren! Wenn Mädchen mit einem Schwert rumlaufen oder Hosen tragen, sagt doch auch keiner was. Es war ein Spiel – der Drache mit den bunten Krallen. 

 

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Vor kurzem hat mich Ferdi wieder mal gefragt, ob ich ihm seine Nägel lackieren würde. Inzwischen ist Ferdi fast 6 Jahre alt. Und zum ersten Mal musste ich wirklich nachdenken. Ein fast 6-jähriger mit roten Fingernägeln? Wie würde diesmal die Umwelt reagieren? Gibt es eine Altersgrenze, bis zu der es noch ein Spiel ist und danach ist es ernst? Ich bin über mich selber erschrocken. Nein! Die gibt es nicht. Die darf es nicht geben! Überall liest man, dass Kinder ihre Fantasie ausleben sollen. Dass sie so oder so schon so wenig Freiräume haben, sich auszutoben und auszuprobieren. Und natürlich ist Ferdi mit ganz bunten Fingernägeln in die Kita gegangen. Allerdings nicht ohne dass ich mit ihm gesprochen habe, wie er reagieren kann, wenn ihm einer blöd kommt. Und was ist in der Kita passiert? Keiner hat was gesagt – von den Erwachsenen. Aber einige Jungs haben ihn versucht damit aufzuziehen und ich war überaus stolz zu hören, dass er sie alle einfach mit dem Satz „Mir gefällt das aber!“ abgefertigt hat.
Von diesen Beispielen hätte ich noch dutzende: zum Beispiel die Weihnachtsfest-Aufführung im Kindergarten wo mein Sohn der einzige war, der auch als Junge einen weissen, selbstgebastelten Tutu-Rock getragen hat wie die Mädchen und alle anderen Jungs überhaupt nicht wie Schneeflocken aussahen. Oder als er sich zu seinem 4. Geburtstag ein lila-glitzerndes Krönchen  für die Feier gewünscht hat.
Wer jetzt den Eindruck gewonnen hat, mein Sohn sei „etwas zu weiblich“, den kann ich beruhigen: parallel spielt er am liebsten mit Autos, hat sich zum letzten Weihnachten ein Laserschwert gewünscht und ist ein großartiger Fussballspieler und Lego-Fan. Aber warum hört sich das so an wie eine Rechtfertigung? Wovor haben wir Angst? Dass ein 5-jähriger vielleicht „schwul“ sein könnte? Oh bitte!
Ich habe davor weder Angst, noch mache ich mir darüber ernsthaft Gedanken. Aber die Umwelt scheint es zu tun. Ich will, dass mein Sohn glücklich ist. Mit bunten Fingernägeln und dem Laserschwert in der Hand. Ich würde mir wünschen, dass wir unseren Kindern mehr freiheitliches Denken beibringen würden – oder woher haben die Kinder im Kindergarten sonst jetzt schon diese Vorstellung, dass Jungs eben keinen Nagellack tragen dürfen? Wie können wir eine tolerante Gesellschaft fordern, wenn wir unseren 5-jährigen Kindern schon beibringen: Nagellack tragen nur Jungs und jeder, der das anders sieht, darf gehänselt werden. Warum können wir ihnen nicht sagen: Hey, wenn dir das gefällt, dann steh dazu. Sei du selbst. Steh gerade dafür, was du möchtest. Ob Nagellack, ob Tutu-Rock oder Laserschwert! Und wenn du jemanden siehst, der etwas ein bisschen anders macht, als die anderen: schau es dir an. Frag ihn, warum er es tut! Und dann überleg dir ganz für dich selber, ob du es vielleicht auch gut findest! Und wenn ja, dann mach es auch! Und wenn nein, dann lass ihn in Ruhe!
Wie kommt man von Nagellack auf eine gesellschaftliche Diskussion? Es braucht nicht viel. Denn wir erziehen die Kinder von morgen. In unseren Händen liegt die Generation von morgen. Die entscheidet, ob jemand ausgegrenzt wird oder nicht. Wir brauchen mehr „Mir gefällt das aber!“

 

Anmerkung der Zwergen-Königin:
Vielen Dank zunächst für diesen wunderbar ehrlichen und gesellschaftskritischen Text an Ann-Katrin Lang. Wir sind gerade in den USA untewegs und auch unsere Kinder haben sich in einem Spielwaren-Geschäft die Fingernägel bunt anmalen lassen. Auch unser Sohn hat darauf bestanden. Es gab viel Lob, von Männern, Frauen und Kindern. Aber vielleicht ist es in den USA wirklich etwas anders: Toleranter oder aber ängstlicher bezüglich des Themas Diskriminierung, das sei dahin gestellt. Wir finden auf jeden Fall, dass auch Jungen mal Nagellack tragen dürfen. Mit Stolz!

Kinderfingernaegel bunt

3 comments on “Dein JUNGE hat Nagellack dran? Von Ann-Katrin Lang

  1. tanja on said:

    Ich bin ganz deiner Meinung! Und natürlich tragen hier bei mir im Kiez auch Männer Nagellack. Bin ich froh!

  2. Charlotte on said:

    Ganz toller Artikel! Diese Meinung kann ich nur unterstützen und werde mit meinen zukünftigen Kindern nicht anders vorgehen! Mich stört es, dass Eltern ihren Kindern Diskriminierung von Minderheiten/Besonderheiten/Identität in die Wiege legen, ihnen so lange einreden, bis sie es auch glauben – denn Kinder selber, ohne die Meinung ihrer Eltern im Hinterkopf, würden niemals negativ auf bunte Fingernägel reagieren. Das gleiche gilt bei Erwachsenen: Eine gesunde Haltung und Respekt anderen Menschen gegenüber müssen noch viele lernen!
    P.S.: viele meiner männlichen Freunde tragen Nagellack! :)
    Vielen Dank für diese tollen Worte!

  3. Vielen Dank für diesen schönen Artikel. Er spendet mir Trost, an dem Abend an dem ich mit meinem Sohn (3.5) mittrauere.
    Während eines Nikolaus-Nachbarschafts-Treffen, zu dem er mit bunten Nägeln erschien, wurde er vom Nachbarsjunfen (4.5) ausgelacht und als Mädchen „beschimpft“. Meinem Sohn ist der Happen im Halse stecken geblieben und ihm wurde fast schlecht. Nach einer halben Stunde wollte er das Fest verlassen.
    Ist das wirklich die „Einstellung“ die wir unserer Zukunft geben wollen?
    JA zu Nagellack für JUNGS!

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